Wer an Tagen wie diesen Kritik an der deutschen Fußballnationalmannschaft oder dem DFB übt, wird natürlich sofort als unverbesserlicher Nörgler abqualifiziert, der noch immer ein Haar in der Suppe findet. Aber so sehr man sich über den Erfolg bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien freuen darf, so nötig ist es, den Verstand nicht gänzlich auszuschalten. Es gibt keinen Grund dafür, in der Harmoniesuppe zu ersaufen.
Deshalb soll hier (erneut) darauf hingewiesen werden, dass Fußball nicht nur ein Sport oder ein Spiel ist, sondern auch ein Instrument, mit dem Schindluder getrieben wird. Die Weltmeisterschaft wurde und wird dazu benutzt, gesellschaftliche Widersprüche zuzukleistern. Auch wenn das Wir-Gefühl bei den deutschen Spielen und beim Gewinn des Titels, die Feiertagsstimmung allerorten erst mal etwas Schönes ist, darf das nicht dazu führen, bestehende Gegensätze auszublenden.
Die Werbung, die mit der Fußball-WM gemacht wird, zeigt exemplarisch, was hier gemeint ist. Wenn Jogi Löw für Nivea unter dem Slogan „Es beginnt mit dir“ wirbt und in dem Fernsehspot Werftarbeiter und Feuerwehrleute, also der „Mann von der Straße“, an ihrem Arbeitsplatz als jubelnde Fans gezeigt werden, dann ist das nur noch verlogen. Selbst wenn Löw das Ernst sein sollte mit dieser Botschaft, so wird der falsche Eindruck vermittelt: Wir sind doch irgendwie alle gleich!
Das sind wir aber nicht. Fußballprofis sind Großverdiener, deren Lebenswirklichkeit mit der der meisten Deutschen wenig gemein hat. Sicher, dafür bieten sie auch etwas für ihr Geld, was andere nicht können – aber es darf doch noch darauf hingewiesen werden, dass Millionen Menschen, der Paketfahrer und der Polizeihauptmeister, die alleinerziehende Mutter, die Putzen geht, der Eismann und die Altenpflegerin, der Leiharbeiter und der Hartz-IV-Empfänger, von solch sorglosem Leben nur träumen können!
Heutzutage stört sich kaum noch jemand an der Werbelogos, die bei Sportereignissen immer ins Bild gerückt werden. Wir haben uns daran gewöhnt. Aber mir stößt es übel auf, wenn ich heute bei der Übertragung von der Ankunft der Nationalelf in Berlin, die Aufschrift „Mercedes-Benz“ nebst dem bekannten Stern auf dem Rücken der Spielertrikots sehen muss. Bin ich da der einzige?
Dass ausgerechnet die deutsche Marke, die wie keine andere für den puren Luxus steht, einer der Hauptsponsoren des DFB ist, das ist schlicht paradox. Fußball war mal eine Arbeitersportart, heute ist es in Deutschland der Volkssport. Aber Volkswagen ist als Sponsor natürlich ne Nummer zu klein.
In dieselbe Kerbe wie die Nivea-Werbung mit Löw haut Coca-Cola, ein weiterer Hauptsponsor des DFB. „WM. Das sind wir alle“ lautet der Slogan des Konzerns zur Weltmeisterschaft, und das ist genauso verlogen. Die ganze Absurdität dieser Werbung wird deutlich, wenn man es neben den Slogang hält, der auf dem Truck prangte, der heute die deutsche Elf zum Brandenburger Tor kutschierte: „Weltmeister fahren Daimler-Benz“. Ja schade, aber „wir alle“ fahren leider nicht Daimler Benz!
Spiegel online preist aus Anlass des Titelgewinns die Deutschen als Konjunkturlokomotive Europas, behauptet, dass die Beschäftigung auf Rekordniveau ist, und was man an dergleichen neoliberalen Lobhudeleien so kennt. Das aber zeigt das Verlogene dieser „Wir“-Propaganda.
Wenn das wirtschaftlich gut da steht, heißt das eben keineswegs, dass es „uns Deutschen“ gut geht. Millionen von Deutschen geht es eben nicht gut in dieser immer weiter auseinanderdriftenden Gesellschaft. Für sie ist der Fußball und der Gewinn der Weltmeisterschaft eine Abwechslung und Betäubung in einem immer härter werdenden Alltag. Mehr nicht.
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