Die Archäologen graben zuerst – Interview mit Jan Bock und Sonja Nolte

Der grüne Buchholzer Ratsherr und Archäologe Jan Bock hat zusammen mit seiner Kollegin Sonja Nolte das erste Fachbüro für archäologische Dienstleistungen im Landkreis Harburg gegründet. Damit reagieren die beiden Archäologen auf die Entwicklung, dass Grabaufträge im Zuge von großen Baumaßnahmen meistens als Gesamtleistungen für Fachunternehmen ausgeschrieben werden. Im Interview mit dem buchholzblog erläutern Jan und Sonja, welche Dienstleistungen ihr neues Büro genau anbietet (weitere Infos auf der Homepage http://www.archaeologie-nordheide.de).

Jan und Sonja, Ihr habt jetzt das erste Fachbüro für archäologische Dienstleistungen im Landkreis Harburg gegründet. Wie kam es dazu?

Jan: Der Bedarf an privaten archäologischen Fachfirmen nimmt immer noch zu. Einerseits ist seit der letzten Novellierung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes die Erfordernis und Kostenübernahme archäologischer Rettungsmaßnahmen besser geregelt worden – andererseits wird es für die zuständigen behördlichen Denkmalpflegestellen (zum Beispiel eine Kreisarchäologie) zunehmend schwieriger, freiberufliches Personal schnell und flexibel für Projekte „einzukaufen“.

Was sind die archäologischen Dienstleistungen, die Ihr anbietet?

Sonja: Alles von der Beratung von Bauherren, über einfache Flächenprospektionen bis hin zur kompletten Ausgrabung mit allem drum und dran. Darüber hinaus bieten wir auch noch spezielle Leistungen, wie beispielsweise das Transkribieren alter Schriften (Fraktur, Sütterlin) oder das Aufnehmen und Katalogisieren von (privaten) Sammlungen an.

Wie muss man sich Euer Vorgehen konkret vorstellen? In welchen Fällen werden archäologische Fundstellen vermutet?

Jan: Ob in einem Baugebiet archäologische Fundstellen bereits bekannt, zu vermuten oder möglich sind, prüft der zuständige Stadt- oder Kreisarchäologe und formuliert entsprechende Auflagen, die dann in die Baugenehmigung übernommen werden. Solche Auflage besagen zum Beispiel, ob eine Ausgrabung erforderlich ist und in welchem Umfang. Der Bauherr kann sich dann zur Erfüllung dieser Auflagen eine Grabungsfirma suchen, deren Arbeit aber unter fachlicher Aufsicht der Kommunalarchäologie steht.

Sonja: Bei größeren Vorhaben werden zumeist erst Suchgräben angelegt. Anhand der Menge, der Art und der räumlichen Verteilung der darin entdeckten archäologischen Funde und Befunde, das sind in erster Linie Verfärbungen im Boden, die zum Beispiel von Pfostenlöchern, Feuerstellen oder Gräbern herrühren, wird dann der Umfang und der räumliche Ablauf der Grabung festgelegt.

Sind archäologische Untersuchungen bei bestimmten Bauvorhaben gesetzlich vorgeschrieben?

Jan: Ja! Die Beteiligung der Archäologie im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens ist vorgeschrieben und entsprechende Auflagen werden Bestandteil der Baugenehmigung. Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz regelt außerdem, dass der Verursacher die erforderlichen archäologischen Rettungsmaßnahmen finanzieren muss.

Was für Funde sind es, mit denen man in unserer Gegend in der Regel rechnen kann? Aus welcher Zeit kommen die meisten Fundstücke?

Jan: Grundsätzlich sind bereits im Raum Buchholz (allein hier sind etwa 600 archäologische Fundstellen bekannt!) alle Zeitstellungen vertreten – von der Altsteinzeit bis ins Mittelalter und schließlich auch Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg, die im Grunde auch zu Bodendenkmälern gezählt werden können.

Welche Kosten entstehen für Eure Dienstleistungen in etwa?

Sonja: Das lässt sich pauschal nicht sagen, da dies insbesondere bei Prospektionen und Ausgrabungen von verschiedenen Faktoren abhängt: Größe der Fläche, Bodenbeschaffenheit, Anzahl und Beschaffenheit der archäologischen Befunde, Anzahl der eingesetzten Personen, Zeitdruck des Bauherren…

Jan: Letztlich sind es für Bauherren und Investoren aber überschaubare Kosten, an denen kein Bauvorhaben scheitern würde… Im Übrigen können wir als Firma durchaus flexibel agieren: Wir könnten auf der gleichen Fläche nur mit einer kleinen Kernmannschaft deutlich länger graben oder aber mit hohem Personaleinsatz und langen Arbeitszeiten möglichst schnell arbeiten – je nachdem, ob Zeit oder Geld der entscheidende Faktor für den Auftraggeber ist.

Wen habt Ihr als Auftraggeber im Auge?

Sonja: Alle, die eine Ausgrabung durchführen lassen müssen! Natürlich in erster Linie Bauunternehmer.

Was sind das für Bauvorhaben, bei denen Archäologen zum Zuge kommen? Könnt Ihr theoretisch auch von Bauherren von Einzelhäusern beauftragt werden oder ist das eher unüblich?

Jan: Letzteres ist eher unüblich. Da es sich hierbei meist um kleine Flächen handelt, werden notwendige Rettungsmaßnahmen, falls sie denn erforderlich sind, zumeist von den jeweiligen Kommunalarchäologien in Eigenregie durchgeführt und sind in den allermeisten Fällen auch in wenigen Tagen erledigt…

Sonja: Wir übernehmen eher die größeren Ausgrabungen und die erfolgen auf entsprechend größeren Flächen – vor dem Bau von Biogasanlagen, von Gewerbeflächen oder Straßen, wie bei dem Neubau der B75 als Ortsumfahrung Dibbersen.

Was habt Ihr bisher beruflich gemacht?

Jan: Diverses… Während meines Studiums habe ich unter anderem als studentische Hilfskraft, als Researcher („Headhunter“) für ein Personalberatungsunternehmen und als Mitarbeiter in einer Anwaltskanzlei gearbeitet – außerdem natürlich auf verschiedenen archäologischen Ausgrabungen, auch in Ägypten.

Sonja: Ebenfalls Ausgrabungen, allerdings (bisher!) nur innerhalb Deutschlands. Ich arbeite aber auch seit fast sieben Jahren als Selbstständige für das Niedersächsische Landesmuseum Hannover. Dort neben der Museumspädagogik vor allem für einzelne archäologische Projekte, wie beispielsweise Grabungsnachbearbeitungen, Aufnahme von Funden sowie die Katalogisierung. Gerade mache ich die Inventur im Landesmagazin.

Bei welchen spektakulären Funden konntet Ihr dabei sein?

Jan: Hm, „spektakulär“ ist wirklich sehr relativ… Subjektiv bedeutend sind sicherlich andere Funde. Ich erinnere mich, wie ich mein erstes Skelett entdeckte, mit dem sich auch endlich ein mittelalterlicher Friedhof fand, den wir bereits zwei Wochen lang gesucht hatten…

Sonja: Ich glaube mein „spektakulärster“ Fund war eine über 10.000 Jahre alte geschnitzte Bernsteinperle. Aber genau genommen ist doch jeder Fund etwas Besonderes, oder?

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Comments (

0

)