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Adolf Matthies war NSDAP-Mitglied – DIE LINKE kündigt Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerschaft an

Von Kristian Stemmler

Nach Winsen wird es jetzt auch in Buchholz eine Diskussion über einen Ehrenbürger der Stadt geben. In der Luhestadt hatte die Ratsfrau der Partei DIE LINKE, Anja Stoeck, die Nazi-Vergangenheit von Fritz Broistedt thematisiert und einen Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerschaft gestellt. Dasselbe Vorgehen kündige ich hiermit im Falle des früheren Bürgermeisters von Buchholz und Ehrenbürgers der Stadt, Adolf Matthies, an.

Wie die unten angehängte Antwort auf meine Anfrage im Stadtrat deutlich belegt, war Matthies offensichtlich Mitglied der NSDAP und seine Familie war offenbar dem Umfeld des berüchtigten Gauleiters Otto Telschow zuzuordnen, der ihn zum Gauleiteradjutanten machen wollte. Allein das sollte ausreichen, um Matthies die Ehrenbürgerschaft posthum zu entziehen – oder falls das tatsächlich nicht möglich sein sollte, sich zumindest von ihm zu distanzieren. Jemand der aktiv bei den Nazis mitgemischt hat, sollte nicht Ehrenbürger einer deutschen Stadt sein dürfen, ganz egal was er später für die Stadt geleistet hat.

Hier der Wortlaut meiner Anfrage und der Antwort der Verwaltung:

 

Der frühere Bürgermeister von Buchholz und Ehrenbürger der Stadt, Adolf Matthies, soll nach Informationen des Fragestellers Mitglied der NSDAP gewesen sein. Dies vorausgeschickt frage ich:

1.Welche Erkenntnisse liegen der Stadt über die Person von Adolf Matthies vor?

Antwort: Dr. Adolf Matthies wurde am 9.11.1910 in Buchholz geboren, wo er am 29.6.1988 verstarb. Nach dem Abitur studierte er an den Universitäten in Hamburg und Berlin Volkswirtschaft und promovierte gleich anschließend. Danach absolvierte er seine Wehrpflicht bei der Infanterie. Er besuchte die Offizierschule in Döberitz und wurde als Leutnant der Reserve in das zivile Berufsleben entlassen (Interviewaufzeichnungen Carl-Günther Jastram).

Vom 7.4.1961 bis 31.10.1976 war er Mitglied im Rat der damaligen Gemeinde und heutigen Stadt Buchholz i.d.N. Von Dezember 1961 bis 31. Oktober 1976 war er Bürgermeister der Stadt. Der Rat der Stadt Buchholz i.d.N. beschloss am 8. November 1976 einstimmig, Herrn Dr. Adolf Matthies (und Herrn Ludwig Kröger) aufgrund seiner langjährigen, erfolgreichen, ehrenamtlichen Tätigkeit für das Gemeinwohl der Stadt Buchholz i.d.N. die Ehrenbürgerrechte der Stadt zu verleihen. Das Ehrenbürgerrecht wurde ihm in der Ratssitzung am 8. November 1976 von Bürgermeisterin Braasch verliehen. Am 10. April 1978 wurde ihm vom damaligen Oberkreisdirektor Dr. Dehn das Bundesverdienstkreuz verliehen.

2. Hat die Verwaltung Informationen darüber, ob Matthies Mitglied der NSDAP war?

3. Was hat Matthies während der NS-Zeit beruflich gemacht, hatte er Posten in der NS-Verwaltung und/oder NS-Verbänden inne?

Antwort zu 2 und 3: Der Verwaltung liegen keine belegbaren Dokumente über die Mitgliedschaft in der NSDAP von Herrn Dr. Adolf Matthies vor. Auch im Stadtarchiv sind keine Dokumente darüber vorhanden.

Es gibt Berichte und Aussagen von Zeitzeugen das Dr. Matthies Mitglied der NSDAP war.

Im Kapitel „Kontinuitäten“ in dem Buch „Die verschwiegenen 20 Jahre“ wird auf Seite 186 ausgeführt, dass Dr. Adolf Matthies Gauhauptstellenleiter und Gauleiteradjutant gewesen sein soll. Eine Quelle ist hier jedoch nicht benannt. Es ist davon auszugehen, dass Aussagen von Zeitzeugen dieser Ausführung zu Grunde liegen.

In Vorbereitung ist der 2. und 3. Band aus der Reihe „Buchholz und seine Schützen 1901 bis 2001 (Hundert Jahre Buchholz und der Schützenverein Buchholz und Umgebung von 1901 e.V.)“. Hierfür hat der Autor Carl-Günther Jastram Adolf Matthies noch vor seinem Tod interviewt. Den Aufzeichnungen für dieses Buch ist zu entnehmen, dass es für Adolf Matthies schwer war, eine geeignete berufliche Tätigkeit zu finden. Otto Telschow bot Adolf Matthies Vater an, seinen Sohn einzustellen. Zur Vorbereitung für seine Tätigkeit als Adjutant wurde Adolf Matthies für ein viertel Jahr zur Kreishandwerkerschaft nach Winsen geschickt „um Praxis zu schnuppern“. Die Arbeit in der Parteizentrale war nicht „das Wahre“ für ihn.

Kurz darauf wurde Adolf Matthies eingezogen und war zu Beginn des Russlandfeldzugs dabei. Noch während des Vormarsches wurde er krank und kam ins Lazarett nach Hamburg. Anschließend ging er nach Dänemark und Italien, wo er gegen Kriegsende in Gefangenschaft geriet. Als ehemaliger PG (Parteigenosse), also Parteimitglied der NSDAP, kam er zunächst nach Eiblingen und dann im Rahmen der Entnazifizierung für zwei Jahre nach Hammelburg, wo er zu einem überzeugten Demokraten „umerzogen“ wurde.

4. Hält die Verwaltung, für den Fall, dass Matthies Mitglied der NSDAP war, es für angemessen, dass er Ehrenbürger der Stadt bleibt?

Antwort: Gem. § 29 Abs. 1 NKomVG kann die Gemeinde Personen, die sich um sie besonders verdient gemacht hat, das Ehrenbürgerrecht verleihen. Wegen unwürdigen Verhaltens kann dieses gem. Abs. 2 wieder entzogen werden (Anm.: durch Ratsbeschluss). Das Ehrenbürgerrecht erlischt juristisch mit dem Tod und eine Entziehung nach dem Tode ist rechtlich bedeutungslos (Kommentar Nr. 1, Thiele zu § 29 NKomVG).

Damit stellt sich die o.g. Frage nicht mehr. Einen Beschluss könnte der Rat selbstverständlich trotzdem fassen. Dies hätte dann lediglich einen symbolischen Charakter.

Unabhängig davon und die o.g. Ausführungen zu Grunde gelegt, geht die Verwaltung davon aus, dass dem Rat der Stadt Buchholz i.d.N. die Vergangenheit von Dr. Adolf Matthies bekannt war, als man ihm das Ehrenbürgerrecht verliehen hat. Das Ehrenbürgerrecht wurde ihm auf Grund seiner Verdienste in seiner aktiven Zeit als Ratsmitglied und Bürgermeister der Stadt in der Zeit von 4/1961 bis 10/1976 verliehen (siehe Anlage).

Die Verwaltung hat keine Veranlassung an diesen Verdiensten zu zweifeln und sieht hier (anders als im Falle des damaligen Gauleiters Otto Telschow) keinen Handlungsbedarf.

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