Liebe Tierfreunde,
mein Name ist Kristian Stemmler. Ich bin Mitglied im Stadtrat von Buchholz für die Partei DIE LINKE und Mitglied des Runden Tisches Natur-, Umwelt- und Tierschutz Buchholz, der diese Demo organisiert hat.
Wir sind vorhin in Sprötze an einem von außen ganz unspektakulär wirkenden Gebäude vorbeigefahren – am Hühnermaststall der Familie Eickhoff. Wie wir gesehen haben, ist das ein langgestreckter fensterloser Bau mit einem Erdwall drumherum, ohne jede Beschilderung, ohne jeden Hinweis darauf, was dort geschieht. Aber was in den Mauern dieses Gebäudes passiert, ist in Wahrheit mehr als spektakulär – es ist furchtbar, verantwortungslos, fast möchte ich sagen verbrecherisch!
In diesem Maststall wie in vielen anderen in der Region wird tausendfaches Tierleid produziert. Hier vegetieren lebendige Geschöpfe vor sich hin, die nur noch als Ware behandelt werden. Jeder, der sich auch nur oberflächlich mit den Bedingungen der so genannten Kurz- oder Turbomast befasst, kann gar nicht anders, als diese Bedingungen als Tierquälerei zu bezeichnen. Ich will hier nur einige Fakten über die Hühnermast benennen:
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Masthühner werden meist in fensterlosen, klimatisierten Hallen in Gruppen von 10.000 und mehr Tieren gehalten. In einem relativ kurzen Zeitraum von vier bis sechs Wochen erreichen sie ihr Schlachtgewicht von 1,4 bis 1,6 kg. Durch die Überzüchtung der Tiere sind Gewichtszunahmen von 55 bis 60 Gramm pro Tag die Regel. Für ein Kind, das 30 Kilogramm wiegt, würde das eine tägliche Gewichtszunahme von zwei Kilogramm bedeuten. Kein Wunder also, dass die Hühner buchstäblich unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen!
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Bis zu 26 Tiere müssen sich in der Regel einen Quadratmeter teilen. Das entspricht weniger als zwei Drittel eines DIN-A4-Blattes pro Huhn.
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Die Masthühner erhalten ausschließlich industriell aufbereitetes Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt. Dadurch wird die Zeit für die Nahrungsaufnahme stark verkürzt, und das arteigene Bedürfnis, nach Nahrungsteilen zu suchen und diese zu bearbeiten, wird frustriert. Eine typische Ersatzhandlung ist das verstärkte Federpicken.
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An den Futtertrögen wird jedem Masthuhn zwei bis drei Zentimeter Platz zugestanden. Ungestörtes, gleichzeitiges Fressen ist somit unmöglich. Als Folge klettern die Tiere am Trog übereinander und verletzen sich gegenseitig – Todesfälle sind nicht selten.
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Platzmangel und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten führen zu Dauerstress für die Tiere. Gelegenheit zum Ruhen haben die Tiere dabei fast gar nicht, wie Untersuchungen belegen.
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Die Hallen werden während der Mast nicht gereinigt – auf deutsch: Die Hühner stehen in ihrer eigenen Scheiße! Oder vornehmer ausgedrückt: Es kommt zu hohen Ammoniakbelastungen. Bis zu einem Drittel aller Tiere erleiden durch das Liegen auf durchfeuchteter Einstreu Verätzungen.
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Schon bei Besatzdichten von mehr als zehn Tieren pro Quadratmeter steigt – bedingt durch die Konkurrenz um die Futterstellen und das Fehlen von Sitzstangen und anderen Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten – die Anzahl aggressiver Auseinandersetzungen. Um die Aggressionen halbwegs im Griff zu behalten, werden die Masthühner in Dämmerlicht gehalten.
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Obwohl Masthühner in der Regel noch nicht einmal sechs Wochen alt werden, leiden die Tiere zum Schlachttermin regelmäßig an zahlreichen schmerzhaften Krankheiten. Besonders häufig sind: Abgleiten der Achillessehne vom Sprunggelenk, Wirbelsäulenverkrümmungen durch Verengungen des Rückenmarks, abnormales Knorpelwachstum, Knochenmarkentzündungen, Verätzungen, Muskelkrankheiten, Herz-Kreislauf-Versagen, Fettleber-Nieren-Syndrom.
- Diese Krankheiten tragen dazu bei, dass schon nach 30 bis 35 Tagen sechs bis sieben Prozent der Tiere gestorben sind. Eine erschreckende Quote, die sich bei einer längeren Mast noch deutlich erhöhen würde. Ursachen sind einerseits die Zucht auf extrem schnelles Körperwachstum und die so genannte Qualzucht – also die Ausbildung großer Muskelpartien an Brust und Schenkel, andererseits auch die mangelnde Bewegung, und fehlende Erkundungs- und Beschäftigungsanreize. Diese Bedingungen müssen in der EU jedes Jahr über fünf Milliarden Tiere über sich ergehen lassen – so hoch sind die Schlachtzahlen!
Wenn Ihnen jetzt angesichts dieser Fakten der Appetit vergangen ist, dann hätte ich mein Ziel erreicht. Wobei ich davon ausgehe, dass die meisten Teilnehmer dieser Demonstration sich ohnehin schon bewusst ernähren.
Das sind die Fakten und wenn ich mir das Alles vor Augen führe, dann habe ich wenig Verständnis für die Entschuldigungen und Ausreden, die ich immer wieder höre. Die Eickhoffs seien ja so nett und die Familie sei fest im Ort verankert und integriert, heißt es da, oder: dass sie ja nicht anders könnten, weil der wirtschaftliche Druck in der Landwirtschaft so hoch ist.
Da kann ich nur sagen: Jeder Landwirt ist für die Tiere, die er hält, verantwortlich und die Eickhoffs sind lange genug im Geschäft, um zu wissen, was mit den Tieren passiert und wie sich die Haltungsbedingungen auswirken. Aber was heißt hier Landwirt! Es tut mir leid: Aber jemand, der in die Massentierhaltung einsteigt, der sich vertraglich an einen Konzern wie Rothkötter bindet, der ist für mich kein Landwirt mehr – das ist keine Landwirtschaft, die hier betrieben wird, das ist Agrarindustrie!
Ich halte diesen Punkt für enorm wichtig: Wir haben es hier mit einem Industriesystem zu tun! Ich kann nur jedem empfehlen, mal nach Wietze bei Celle zu fahren und sich Europas größten Schlachthof für Hühner anzusehen, den der Rothkötter-Konzern gegen erheblichen Widerstand dort hochgezogen hat – wobei ich mit ansehen meine, von außen ansehen. Da kommt nämlich keiner rein. Wenn man davorsteht, hat man das Gefühl man ist in Stuttgart-Stammheim – ein massiver Metallzaun, NATO-Draht, Kameras, Security-Leute.
Dem Schlachthof in Wietze verdanken wir, dass jetzt in einem großen Umkreis ein Maststall nach dem anderen hochgezogen worden ist und noch werden soll. Aktuell zum Beispiel auch in Fintel. Die Rede ist von insgesamt rund 400 Ställen, die Wietze benötigt, um die Schlachtstraßen auszulasten. Dort sollen im Endausbau etwa 2,5 Millionen Hühner in der Woche geschlachtet werden. Ich wiederhole: 2,5 Millionen Hühner pro Woche!!
Angesichts dieser Tatsachen finde ich es erschütternd, wie wenig die Kommunalpolitiker offenbar gegen die Mastställe ausrichten können. Ich versuche derzeit als Mitglied im Stadtrat von Buchholz, die Aufstellung eines Bebauungsplans für das fragliche Gelände in Sprötze zu erreichen, aber erfahrene Kollegen haben mir mitgeteilt, dass ein solcher B-Plan vor Gericht keinen Bestand hätte, weil er nur der Verhinderung des Vorhabens dienen würde.
Das ist für mich schwer nachvollziehbar: Hier soll mal eben die Zahl der gehaltenen Tiere von 36.800 auf 80.000 erhöht werden, und die zuständige Verwaltung muss das offenbar durchwinken. Über jede Regenrinne wird in den Gremien mehr diskutiert. Ich hoffe, dass es nächste Woche im Stadtplanungsausschuss und am 26. im Verwaltungsausschuss zumindest noch mal zu ernsthaften Nachfragen meiner Kollegen von SPD, Grünen und Buchholzer Liste kommt.
Die politische Schiene ist das Eine. Das Umdenken muss aber auf allen Ebenen stattfinden und dafür müssen wir den öffentlichen Druck erhöhen. Die Menschen müssen in ihrer Eigenschaft als Konsumenten zu bewussterem Einkaufen gebracht werden – dass sie nicht mehr automatisch im Supermarkt nach der unverschämt billigen eingeschweißten Hühnerbrust greifen.
Und in ihre Eigenschaft als Bürger und Wähler müssen die Menschen auf die Politik Druck machen. Jede Partei, die Massentierhaltung auch nur ansatzweise vertritt, muss unwählbar werden. Das gilt in besonderem Maße für eine Partei, die das Wort christlich in ihrem Namen führt, aber für die Tiere offenbar keine Geschöpfe Gottes sind, sondern nur noch ein Wirtschaftfaktor. Vor allem der hemmungslosen Parteinahme der CDU und FDP für die Agrarlobby müssen wir den Kampf ansagen!
Ich danken Euch und Ihnen!
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