Es ist schlimm genug, dass wir in der Fußballbundesliga seit Jahren eine bayerische Dominanz ertragen müssen (auch wenn das 0:0 des HSV gegen München diese am Sonnabend für den Moment ein wenig eingetrübt hat). Aber was wirklich unerträglich und völlig inakzeptabel ist, das ist der Versuch, bayerisches Brauchtum in Norddeutschland zu implantieren. Der buchholz express sagt: Obstat principes – Wehret den Anfängen!
Konkret geht es hier um das Oktoberfest, das bekanntlich gerade in der bayerischen Hauptstadt eröffnet worden ist. Schon seit Jahren ist zu beobachten, dass dieses Ritual, das vor allem aus Saufen, Saufen und noch mal Saufen besteht, in den Norden rüberschwappt. Alle möglichen Wald- und Wiesengastronomen sowie diverse Einzelhändler meinen ihren Kunden etwas Besonderes bieten zu müssen, indem sie ein Oktoberfest anberaumen, ihren Kellnerinen Dirndl verpassen, Bier und Brezel auffahren, Weißwürste und Haxen zu Blasmusik servieren.
Im Nordheide Wochenblatt drohte zum Beispiel das Hotel Böttcher in Nenndorf kürzlich an, am 20. September ein Oktoberfest zu veranstalten. Sage und schreibe zweieinhalb Seiten mit redaktionellen Texten und Anzeigen hatte das Wochenblatt dafür zusammengeschraubt. „Echtes Wiesn-Flair genießen: Festzeltstimmung pur“, harfte der Volontär (der mir persönlich leid tut, dass er Derartiges schreiben muss). „Das wird eine echte Gaudi“, wird Hotelier Gustav Böttcher zitiert.
Auf bayerisch versucht sich auch Steuerberater Wolfgang Schnitter, Vorsitzender der Buchholzer Wirtschaftsrunde, in seiner Anzeige. „Mia san mia“ heißt es da, und „Viel Spaß auf dem Oktoberfest!“ Auch die Firma Heinrich Hauschild wünscht ein „zünftiges Oktoberfest“, ebenso ein Hofladen, die Firma „Der Beschrifter“, ein Reisebüro, Edeka Herbert Meyer und die Rosengarten Apotheke. Was die alle mit Bayern oder dem Oktoberfest zu tun haben, ist mir schleierhaft!
Was ein Nenndorfer Hotel kann, kann Möbel Kraft natürlich schon lange. Wie schon in den Vorjahren lädt der Möbeldiscounter des dubiosen Unternehmers Krieger mal wieder zu einem Oktoberfest, in Buchholz vom 26 September bis zum 5. Oktober. Da gibt es Schweinshaxe in Biersoße mit Knödeln für sechs Euro und Weißwurst mit süßem Senf für drei Euro. Jeden Tag gibt es dazu außerdem Livemusik und da wird es endgültig skurril, denn da tritt das Stadtorchester Buchholz ebenso auf wie „Küstenjörn“ und die Freiwillige Feuerwehr Roydorf.
Von der Partie ist selbstverständlich auch wieder dodenhof. Dort feiert man Oktoberfest vom 20. September bis 4. Oktober. Anstich war am gestrigen Sonnabend, dafür engagierte man den Ex-Werder-Stürmer Ailton, was ja irgendwie passt, denn schließlich feiern auch viele Brasilianer gern das Oktoberfest, in Blumenau zum Beispiel. Auch bei dodenhof gibt es natürlich bayerische Spezialitäten wie das Hendl vom Grill für 8,80 Euro oder Kaiserschmarn für 9,50 Euro.
Der eine oder andere Leser wird jetzt denken, ja lasst die Leute doch feiern, das schadet doch keinem. Aber es geht hier um eine grundsätzliche Frage. Zum einen geht es um das Phänomen, das eigenes Brauchtum immer mehr untergeht und sich stattdessen fremdes Brauchtum breit macht wie die Herkulesstaude inmitten der heimischen Vegetation. Zum anderen lohnt es sich, darüber nachzudenken, dass alles und jedes für den Konsum ausgebeutet wird und solche Feste nur noch Vehikel sind für Gastronomie und Einzelhandel.
Da geht es dem Oktoberfest nicht anders als Ostern und Weihnachten. Darum sage ich: O’zapt is – nein danke!
Hinterlasse einen Kommentar