Schräge Aktion für den guten Zweck: Röhse nimmt an Ice Bucket Challenge teil – Kritik erlaubt?

BB9A3282Von Kristian Stemmler

In Zeiten von Youtube und Facebook ist die Infantilisierung der westlichen Zivilisation wohl nicht mehr aufzuhalten. Keine Idee ist blödsinnig oder schräg genug, um nicht noch umgesetzt und im Netz verbreitet zu werden. Der neueste Trend sind PR-Aktionen, die sich im Schneeballsystem fortpflanzen und dabei auch entlegene Winkel erreichen. So ist die so genannte „Ice Bucket Challenge“ jetzt in Buchholz angekommen – der Erste Stadtrat und designierte Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse hat sich einen Eimer kalten Wassers über den Kopf gegossen.

Natürlich ist es immer schwierig, Aktionen zu kritisieren, die einen guten Zweck haben. Bei der „Ice Bucket Challenge“ (zu deutsch: Eiskübel-Herausforderung) geht es darum, auf die Nervenkrankheit ALS, Amyotrophe Lateralsklerose, aufmerksam zu machen, unter der zum Beispiel der Physiker Stephen Hawking leidet, und Geld für die Erforschung und Bekämpfung der Krankheit zu sammeln.

Das System funktioniert so: Man soll sich einen Eimer kalten Wassers über den Kopf gießen und danach drei oder mehr Leute nominieren, die dann 24 Stunden Zeit haben, dasselbe zu tun. Nimmt man die Herausforderung nicht an, soll man 100 US-Dollar an die Stiftung ALS Association spenden, wobei die meisten beides tun, also gießen und spenden. Die Aufforderungen werden in der Regel über soziale Netzwerke verbreitet, dort sollen Teilnehmer auch ein Video von der Aktion hochladen. Gestartet wurde die Aktion in den USA, in Deutschland haben bereits zahlreiche Prominente wie Helene Fischer oder Otto Waalkes und viele Bundesliga-Stars teilgenommen.

Jan-Hendrik Röhse wurde von seinem Sohn Justus (9) herausgefordert, der im Moment Urlaub bei seinen Großeltern in Williamsburg, Virginia, macht, wie die Stadt mitteilt. Im Garten seiner Großeltern ließ sich der Sohn mit Eiswasser übergießen, sein Vater tat es ihm in Buchholz vor dem Rathaus nach. Obwohl er damit die Herausforderung annahm, will er 100 Euro an die Berliner Charité spenden. Röhse nominierte mit Oliver Gatzke, Jörn Mennerich und Fred Acton drei Freunde unter der Maßgabe: „Ihr habt 24 Stunden!“

Laut Wikipedia hat die Aktion weltweit bereits über 15 Millionen Dollar zusammengebracht. Das ist natürlich eine schöne Summe – dennoch kann man solchen PR-Aktionen kritisch gegenüber stehen. So kann man sich fragen, ob es gut ist, dass sich immer durchgeknalltere Aktionen inflationär im Internet verbreiten. Oder ob es gut ist, dass ernsthafte Themen mithilfe schräger Aktionen ins Rampenlicht gerückt werden, andere aber hinten runterfallen, weil die PR weniger gut zündet.

Es kann doch nicht danach gehen, wer die beste PR-Idee hat, mit der man auch die Eitelkeit von Prominenten bedient. Es sollte doch viel mehr entscheidend sein, wo der Hilfebedarf am größten ist. Ich überlege mir doch vor dem Spenden, wo ich momentan die größte Notwendigkeit sehe zu helfen und für welche Zwecke mein Herz schlägt – und richte mich nicht danach, ob mich jemand herausfordert, mir kaltes Wasser über den Kopf zu gießen.

Die „Ice Bucket Challenge“ ist sicher von ihrem Ablauf her noch vergleichsweise harmlos, aber es gibt ähnliche Aktionen, die das nicht sind und die auch schon Todesopfer gefordert haben, so etwa die „Cold Water Challenge“, an der vor allem Feuerwehren teilnehmen. Ein Kegelclub aus dem Münsterland wollte sich Ende Juli am Biertisch mit 2000 Litern Eiswasser aus einer Baggerschaufel übergießen. Die Baumaschine kippte jedoch nach vorn über und ein Familienvater wurde erschlagen. Fünf Männer mussten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Völlig durchgeknallt war auch die „Biernominierung“ Anfang des Jahres, bei der Teilnehmer Videos von sich ins Netz stellten, auf denen sie ein Bier auf ex trinken. Mehrere Jugendliche starben bei der Aktion, so ein 19-Jähriger, der in Irland nach dem Trinken des Biers in einen Fluss sprang und ertrank. Derzeit kursiert im Internet die „Fire Challenge“, bei der sich Jugendliche selbst anzünden und dabei filmen. Mindestens ein Jugendlicher erlag bereits seinen Verbrennungen. Er hätte sich nach dem Anzünden mit Eiswasser übergießen sollen.

 

 

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Comments (

13

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  1. hans-christian keunecke

    Unter „Gegengift-Faqcebook“ waren in einem Beitrag folgendes zu lesen.

    Durch die ICE BUCKETT CHALLENGE sind bisher 20 Millionen sauberes Trinkwasser vergeudet worden. DIE ALS ASSOSIATION hat bekannt gegeben, dass sie bis zum 21.8.14
    31.5 Mill.Euro Spenden eingenommen hat. 40 % der Weltbevolkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Also den Unsinn mit dem „eiskalten Trinkwasser “ ( 10 Liter pro Eimer) um die Spendenfreude und das Ansehen zu erhöhen, sollten wir sofort einstellen. Ob das gespendete Geld reicht für die Krankheitserforschung, ,kann ich nicht beurteilen !?
    Ich hoffe , die Angestellten des Kursana Domizils sind noch zur Vernunft gekommen und auch evt. Nachahmer.

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  2. buchholzexpress

    Danke für den Hinweis. Ich schau mal, ob ich es einrichten kann.

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  3. Anonymous

    Hallo Leute !
    In Buchholz greift die Trinkwasserversc hwendung weiter umsich. Laut Hamburger Abendblatt ( Harburg Beilage vom 30/31.8.14) nehmen auch die Direktorin und teile der
    Belegschaft vom KURSANA DOMIZIL tätigen ( immerhin 40 Mitarbeit) am „ICE BUCKET CHALLANGE“ teil. Schade das man diese positive Spende nicht ohne Vernichtung des knappen Lebensmittels Wasser tätigen kann.. Die Presse würde bestimmt für die Eigenwerbung des Altenheimes trotzdem sorgen.

    Weiterhin war sich Cem Özdemir von den Grünen auch gut genug, sich mit eiskaltem Wasser über den Kopf gießend, für die selbe Spendenaktion auf einem Berliner Balkon ablichten zu lassen. Hamburger Abendblatt vom 29.8.14 seite 1 unten. Seine Spendenbereitschaft ist positiv.zu würdigen. Nur als Grüner war ihm doch wohl der Umweltschutz und die Trinkwassersituation der Dritten Welt nicht so wichtig.

    Lieber Kristian-alias Chefredakteur- laut Abendblatt wollen sich die Mitarbeiter des Kursana
    Domizils in Buchholzu am Montag den 1. September , 13..oo Uhr, ihr Eiswasser über den Kopf gießen. Die Leiterin des Altenheimes heißt lt. Zeitung Andrea Buro.
    Ist die Angelegenheit nicht etwas für den Buchholz Express mit Bild und Artikel.
    Natürlich nur wenn es Deine Zeit zuläßt.

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  4. Realistin

    Den Herrn Röhse kenne ich nicht persönlich, sondern nur von Wahlplakaten. Doch hat er so viel Zynismus verdient, H.-C. Keunecke?

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  5. Kleo

    Lieber Herr Keunecke, ich sehe die Thematik Wasser genauso. Aber wir haben ja noch genug, also bitte nicht sparen. Wenn es denn ein Vorgeschmack für Herrn Röhse ist, weil nicht er uns nass macht, sondern wir ihn wenn er Bockmist baut. Dann würde sogar ich mein Wasser aus der Regentonne über ihn ergießen wollen. Wir haben ihn alle im Auge!

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  6. Hans-Christian Keunecke

    Lieber Uwe Schulze Du sprichst mir aus der Seele.! Einen kleinen Hinweis fällt mir für Herrn Röhse aber noch ein und bitte ihn zu bedenken, daß sauberes Leitungswasser ein Lebens-
    mittel ist, welches auf unserer Welt immer knapper wird. Es verdursten jeden Tag viele Menschen- in großer Zahl Kinder – und erkranken an vertschmutztem Wasser.
    Herr Röhse diese Spendenaktion, so gut sie gemeint sein mag von Ihnen, vergeudet in ihrer
    Gesamtheit große Mengen sauberes Trinkwasser.!!?? Dazu kommt noch die Energie die zum“ eikalten Kühlen “ vergeudet wird. Buchholz hat sich nach Aussagen von seinen Politikern und seiner Verwaltung dem Umweltschutz verschrieben. Sie als zukünftiger Bürgermeister sollten sich dem anschließen. Das sehen sicher alle Buchholzer Wähler und
    Politiker so.

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  7. Uwe Schulze

    Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass die Promis die einzigen sind die sich für andere Menschen einsetzen, deren Probleme verstehen und aus ihrer Güte heraus auch etwas völlig verrücktes machen und dann auch noch die Bereitschaft zeigen etwas zu Spenden.
    Das es unendlich viele Menschen gibt, die sich mit solchen blödsinnigen Challenges überhaupt nicht beschäftigen, weil sie einfach loslegen und machen, das wird ständig ignoriert. Challenges sind auch aus meiner Sicht nur gerade so eine Modeerscheinung, bei der der Initiator lediglich an die Eitelkeit der Promis herangeht. Das es funktioniert sieht man ja.

    Und ich schreibe das nicht weil Herr Röhse nun sein angebliches hippes – trendy Verhalten zeigt, nein weil es viel zu viele Promis weltweit gibt die auf diesen Zug aufgesprungen sind. Meine Güte, die haben soviel Geld teilweise, da kann man doch auch mal etwas Spenden ohne Medienaufmerksamkeit.

    Interessant ist, sehr viele die richtig wenig Geld haben, spenden einfach. Und das ohne so eine Welle und dass regelmäßig.

    Ich werde jetzt wieder aufhören diesem Hype Aufmerksamkeit zu schenken und kümmere mich lieber weiter um die echten Probleme, nicht um die PR der Promis.

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  8. Uwe Schulze

    Hi Kristian, nass machen trifft es auch gut, daran hatte ich nicht gedacht …

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  9. buchholzexpress

    Möglicherweise, Uwe, vielleicht will er uns nass machen…

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  10. Uwe Schulze

    Ist das ein Hinweis auf die kalten Duschen die wir zukünftig zu Erwarten haben?

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  11. BlueBear

    Von diesem Menschen sind karitative Aktionen so oder so einfach nur unglaubwürdig ….

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  12. Dagmar Schaller-Wolf

    Tja wer’s braucht…….. Gesunder Menschenverstand ist eben Glückssache, und nicht jeder ist damit gesegnet.

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  13. Realistin

    Ich denke da ähnlich wie Du, nämlich, dass ich gerne selbst entscheiden möchte, für was ich spende. Dass eine solche Aktion viel Aufmerksamkeit bringt und die meisten der „eisgekühlten“ Leute auch noch für die Forschung gegen die Krankheit ALS spenden, ist als positiv anzusehen. Diese Aktion wird aber irgendwann langweilig und deshalb auslaufen. Es sollte aber schon eingegriffen werden, wenn sich die Leute in lebensgefährliche Aktionen stürzen. Da sehe ich in der Nutzung der sozialen Netzwerke oder YouTube eine recht große Gefahr, dass Kinder sich solche Videos ansehen und es einfach einmal nachspielen wollen.

    Mir bringt es absolut nichts, wenn ich zusehe, wie sich Leute Wasser über den Kopf schütten. Aber ich mag auch nicht diese kleinen Videos, auf denen Menschen stolpern und hinfallen, egal – ob sie sich nun dabei verletzten oder nicht.

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